Der Hölderstein
Mitten im Westerwald, versteckt in einem kleinen Seitental der Wied, liegt er, der berühmt berüchtigte Hölderstein. Es ist einer jener kleinen, magischen Orte, dessen lieblicher, sanfter Charme uns immer wieder verzaubert. Je nach Jahreszeit und Witterung wechselt die Stimmung besonders intensiv. Von der Talsohle heraufziehende Nebelschwaden, kräftige grüne Farben in Frühling und Sommer, herbstliche Laubfärbung und Schnee im Winter verändern die Landschaft kolossal. Abgesehen vom Vogelgesang und dem Rauschen von Wald und Bach herrscht absolute Stille.
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Als meine Eltern vor nunmehr 40 Jahren ein Ferienhaus auf diesen Flecken Erde setzten, herrschte so etwas wie eine Goldgräberstimmung über Döttesfeld. Die Gemeinde wies ein Areal von gut zwei Hektar ehemaligen Ackerlandes für den Bau einer ganzen Feriensiedlung aus. Parkplätze und Wanderwege wurden angelegt, eine Gaststube mit Kaufladen und Swimmingpool sollten später an das Feriendorf angeschlossen werden, dem Tourismus rund um den Ort und speziell am Hölderstein schienen keine Grenzen gesetzt.
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Doch es wird nie so heiß gegessen wie es gekocht wird. Die anfängliche Euphorie blieb im steinigen Lehmboden auf dem Rücken rheinischen Schiefergebirges schnell stecken. Zwar wurden die Parzellen des Feriendorfes nach und nach alle verkauft, ein Investor für Kaufladen und Gastronomie fand sich jedoch nicht und der Prozess des Aufbruchs verselbständigte sich vollends.
Die neuen Siedler aus der Schiene Bonn/Köln/Leverkusen/ Düsseldorf/Oberhausen säten und mähten ihren Rasen und waren sich selbst genug in ihrer neuen Domäne. Der frisch angelegte Aufstieg über den Hölderstein verrottete ungewartet binnen der ersten Dekade, das im Grenzbachtal gelegene Landschulheim machte dicht und die Gegend blieb in seiner schönsten Phase ein Geheimtipp. Aber wie das mit Geheimtipps so ist, sie werden bisweilen transportiert von Fans mit missionarischen Talenten. Ich selbst schleppte Kohorten von Freunden und Bekannten in allen Aggregatzuständen zu allen Jahres- und Tageszeiten den Hölderstein runter und wieder rauf. Es gab kaum jemanden, der der Kraft dieses magischen Ortes widerstehen konnte und heute sind wir mitten im Trend angekommen.
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Aus
dem maroden Landschulheim wurde eines der größten Yoga-Zentren der Republik, das Grenzbachtal wurde renaturiert, sämtliche Fichtenschonungen der Talsohle wurden gerodet und schottische Hochlandrinder fermentieren von nun ab das, was noch Weide werden will. Die Verbandsgemeinde hat einen Wald-Radwanderweg rund um den Kern-Ort Puderbach ausgewiesen, der Hölderstein wurde erneut als Pfad angelegt und in den Westerwaldsteig integriert.
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Als I-Tüpfelchen der neuen Naherholungswelle schließlich wurde vor gut einem Jahr ein Klettersteig für Groß und Klein installiert. Helme und Gurte können bei der Verbandsgemeinde Puderbach ausgeliehen werden.
Dennoch blicke ich etwas wehmütig zurück in die Zeiten, als ich die ersten Yoga-Schüler hier noch belächeln konnte, sei es, weil sie ihre sauber auf Papier notierten und kleingefalteten Wünsche und Botschaften in kleine Höldersteinritzen zu stecken pflegten, sei es weil sie nur den Weg hier hoch fanden, damit sie oberhalb des tiefen Grenzbach-Funklochs endlich wieder mobil telefonieren konnten. Nichtsdestotrotz wohnt diesem Ort nach wie vor ein besonderer Zauber inne. Er ist gleichzeitig eine Quelle der Kraft und der Entspannung, und er wird die Zeit überdauern - mit und ohne den Trubel.
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